BPB-Verlag, Buchenhüll 96, 85072 Eichstätt

BPB-Verlag

diritto Publikation

Jaqueline Savéria-Huré:
Ich, Maria, Tochter Israels (Memoires de Marie, fille d'Israel), aus dem Französischen übersetzt von Gerd Treffer
1993. - 354 S., ISBN 3-927728-24-1, Eur[D] 9,90

 

Cover Leseprobe aus der Biographie der Gottesmutter Maria:

... Was meine Schwangerschaft anlangt, so hatte das Getratsche darüber nie aufgehört. Jeder in Nazareth hatte seine eigene Ansicht darüber, wie viele Monate sie gedauert hat. Alle Berechnungen waren um so unsicherer, da ich mein Kind in Abwesenheit aller Familienangehörigen zur Welt brachte: und in einer Höhle! ... Niemand hatte übrigens den Grund verstanden, der mich bewog, Josef während der Volkszählung zu begleiten, zumal sich doch meine Schwangerschaft ihrem Ende zuneigte.

«Sie musste doch. Die Volkszählung war allen vorgeschrieben», behauptete Myriam. «Keineswegs! Nur die Familienoberhäupter waren verpflichtet, sich in ihrer Geburtsstadt eintragen zu lassen, Maria hätte also in aller Ruhe in Nazareth bleiben können, anstatt sich auf die unsicheren Straßen zu begeben und einen Unfall zu riskieren. Einen Unfall! Stell dir das doch einmal vor!»

Die Unterhaltung ging weiter. Ich begann unruhig zu werden in meiner Fensternische. Ich fühlte meine Kehle trocken werden wie ein Stück eines zerbrochenen Tonkrugs. Noch war nicht alles gesagt worden. Ich fürchtete das, was noch kommen mochte. Das Gespräch näherte sich ihm unerbittlich.

«Glaubst du, dass Maria wusste, dass ihr Sohn der Messias von Israel sein würde? Ruth, hat sie dir dazu etwas anvertraut?» Das war die Stimme Myriams. Es gab eine Pause, einige Seufzer. Die Frage fand keine Antwort. Niemals war mir eine Stille willkommener. Sie überdeckte alles, was Unvorsicht, Ungeschicklichkeit, Indiskretion hätten Schlimmes anrichten können. Sie rettete mich und sie rettete auch die Zuneigung mit der ich meine Gefährtinnen umgab. Ich wusste nun, was sie sagen würden, wenn der Vorhang, der mich verbarg, nicht mehr jener von Paulus, sondern der des Todes sein würde.

Ich habe meine Frucht hervorgebracht. Der Allmächtige hat große Dinge in mir vollbracht. Mein Lebenslauf hat sein Ziel, aber auch sein Ende erreicht. Ich stehe hoch im Alter und ich muss Gott geben, was Gottes ist. Die Tage versteifen nur mehr meine gichtigen Hände, ich spinne weder Tuch noch Leinen mehr; eine andere füllt an meiner Stelle das Öl in die Lampen. Ich rühre das Feuer nicht mehr an, seit Johannes es mir verboten hat. Meine Freundinnen reden von nur wie von jemandem, der in ihrem Gedächtnis lebt. Der Augenblick ist gekommen, die Abfolge meiner Erinnerungen zu betrachten, und nicht nur die eine oder andere herauszugreifen – zu meiner stillen Verzückung. ...

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 © Peter Mösgen Peter Mösgen 16. April 2003